Sonntag, 28. Februar 2010

Der Glaube an ein Comeback von Margot Käßmann

Nikolaus Schneider wird aller Voraussicht nach der neue starke Mann der deutschen Protestanten. Sein Umgang mit einem schweren persönlichen Schicksal hat viele Christen bewegt. Bei der EKD-Sitzung wird aber auch deutlich: Die Sehnsucht nach Margot Käßmann ist groß. Kirchenvertreter hoffen auf ein Comeback.
EKD-Ratssitzung

Nikolaus Schneider ist unter Kirchleuten hoch angesehen

Der voraussichtliche Nachfolger Margot Käßmanns ist ein Mann, 62 Jahre alt, erfahren, weithin geschätzt – und bislang ihr Stellvertreter im Vorsitz des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nikolaus Schneider, Präses der rheinischen Landeskirche, führt die EKD bereits seit dem vergangenen Mittwoch als amtierender Ratspräsident bis zur Tagung ihrer Synode im November. Aller Voraussicht nach wird das Kirchenparlament dann in Hannover, in Käßmanns kirchlicher Heimat, Schneider zu ihrem regulären Nachfolger wählen. In diesem Falle könnte Schneider mindestens bis zum Jahr 2015 an der Spitze des deutschen Protestantismus stehen. Der 13-köpfige Rat der EKD hatte am Wochenende im oberbayerischen Tutzing über die Konsequenzen aus Käßmanns Rückzug infolge einer Alkoholfahrt beraten. Die Atmosphäre der Sitzung wurde von Teilnehmern als „gesammelt“ und „vorbildlich im Umgang“ bezeichnet. Die Ratsmitglieder verständigten sich darauf, dass Schneider die EKD bis zum Herbst führen wird. Über eine Fortsetzung seiner Arbeit als ordentlicher Ratsvorsitzender entscheidet die Synode. Die Weichenstellung von Tutzing aber gilt kirchenintern schon jetzt als eine Vorfestlegung auf Schneider. Die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, sagte: „Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn die Zusammenarbeit mit Nikolaus Schneider über den Herbst hinausreichte.“ Sie hob Schneiders profilierte Art, seine sozialethische Kompetenz und seine „außerordentlich große Herzenswärme“ hervor.
Schneider selbst gab sich am Wochenende bescheiden: „Ich sage zu diesem Wunsch, dass er meinem Ego schmeichelt, dass er ehrenhaft ist, aber ich sage ganz deutlich: Das entscheidet die Synode. Und es gebietet der Respekt vor der Synode, dem nicht vorzugreifen.“ Als „völlig unstrittig“, „beste Lösung“ und gar als „alternativlos“ wurde die Personalie Schneider gestern in EKD-Kreisen bezeichnet. Schneider, der seit 2003 Präses im Rheinland ist und dem Rat angehört, gestalte schon lange den Kurs der evangelischen Kirche mit. Der einstige Pfarrer in Duisburg-Rheinhausen agiere „sehr politisch“, heißt es in seiner Umgebung. Die Themen Arbeit, Armut und Arbeitslosigkeit seien Schneider ein Herzensanliegen. Womöglich verstehe sich Schneider politisch linker als Käßmann, allemal jedoch linker als der frühere Ratsvorsitzende Wolfgang Huber. Persönlich wird Schneider hoch geachtet. Er sei ein „Menschenfreund“. Schneiders Umgang mit dem Tod seiner Tochter, die vor fünf Jahren an Leukämie gestorben war, hat viele Christen bewegt. Über das Sterben und den Tod seiner Tochter hatten Schneider und seine Ehefrau ein Buch verfasst („Leben und Glauben mit dem Tod eines geliebten Menschen.

Die ehemalige EKD-Chefin

Bei der letzten EKD-Synode hatte Schneider das – nach Käßmann – beste Stimmenergebnis erzielt. Als rheinischer Präses ist Schneider bis 2013 gewählt. Der Ratsvorsitz setzt das Präses-Amt jedoch nicht voraus, heißt es in Kirchenkreisen. Hier wird auf den einstigen EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock verwiesen, der dieses Amt zuletzt ebenso ausfüllte, nachdem er seine Funktion als Präses im Rheinland abgegeben hatte. Zum Nachfolger Schneiders als EKD-Vize wurde am Wochenende in Tutzing der Journalist Uwe Michelsen (61) bestimmt. Der studierte Theologe arbeitet für den Norddeutschen Rundfunk, ist ehrenamtlicher Pastor und gilt in seinen kirchlichen Ehrenämtern als Experte für Medien und Dienstrecht. Was aber wird aus Margot Käßmann, die wieder als einfache Pfarrerin tätig sein will? „Nur wenige andere haben wie sie in ihrem Amt als Bischöfin und Ratsvorsitzende das Bild eines modernen, fröhlichen und gesellschaftlich engagierten Protestantismus verkörpert“, schrieb Katrin Göring-Eckardt in der „Welt am Sonntag“.

Quelle: Welt.de

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